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  chen Kirche hat Edie witzige Säure der Voltaireschen Critik zerstörend
  gewirkt. Bey den französischen Juden, wie bey den übrigen Franzo-
  sen, ist das Gold der Gott des Tages und die Industrie ist die herr-
  schende Religion. In Ddieser Beziehung dürfte man die hiesigen Juden
5 in zwey Sekten eintheilen: in die Sekte der rive droite und die Sekte
  der rive gauche; diese Namen haben nemlich Bezug auf die beiden
  Eisenbahnen, welche, die eine längs dem rechten Seine-Ufer, die
  andre dem linken Ufer entlang, nach Versailles führen, und von zwey
  berühmten Finanzrabbinen geleitet werden, die mit einander eben so
10 divergirend hadern, wie einst Rabbi Samai und Rabbi Hillel in der
  ältern Stadt Babylon.
  EWir müssen dem Großrabbi der rive droite, dem Baron Roth-
  schild, die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er für das Haus
  Israel eine edlere Sympathie an den Tag legte, als sein schriftgelehr-
15 ter Antagonist, der Großrabbi der rive gauche, Herr Benoit Fould,
  der, während in Syrien, auf Anreitzung eines französischen Consuls,
  seine Glaubensbrüder gefoltert und gewürgt wurden, mit der uner-
  schütterlichen Seelenruhe eines Hillel, in der französischen Deputir-
  tenkammer einige schöne Reden hielt über die Conversion der Ren-
20 ten und den Diskonto der Bank.
  Das Interesse, welches die hiesigen Juden an der Tragödie von
  Damaskus nahmen, reduzirt sich auf Dsehr gringfügige Manifestazio-
  nen. Das israelitische Consistorium, in der lauen Weise aller Körper-
  schaften, versammelte sich und deliberirte; Edas einzige Resultat die-
25 ser Deliberazionen war die Meinung, daß man die Aktenstücke des
  Prozesses zur öffentlichen Kunde bringen müsse. Herr Cremieux, der
  berühmte Advolkat, welcher nicht bloß den Juden, sondern den
  Unterdrückten aller Confessionen und aller Doktrinen, zu jeder Zeit
  seine großmüthige Beredsamkeit gewidmet, unterzog sich der ober-
30 wähnten Publikazion, und mit Ausnahme einer schönen Frau und
  einiger jungen Gelehrten, ist wohl Herr Cremieux der einzige in
  Paris, der sich der Sache Israels thätig annahm. Mit der größten Auf-
  opferung seiner persönlichen Interessen, mit Verachtung jeder lau-
  ernden Hinterlist, trat er den gehässigsten Insinuazionen rücksichts-
35 los entgegen, und erbot sich sogar nach Egypten zu reisen, wenn
  dort der Prozeß der Damascener Juden vor das Tribunal des Pascha
  Mehemet Ali gezogen werden sollte. Der ungetreue Berichterstatter
  in Eden erwähnten norddeutschen Blättern, der Leipziger Allg. Ztg.,
  insinuirt, mit perfider Nebenbemerkung, daß Herr Cremieux die
40 Entgegnung, womit er die falschen Missionsberichte in Dden hiesigen
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