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| | D1Die Franzosen glaubten, in der letzten Zeit, zu einer Verständniß |
5 | | Deutschlands zu gelangen, wenn sie sich mit den Erzeugnissen unserer |
| | schönen Literatur bekannt machten. Hierdurch haben sie sich aber aus |
| | dem Zustande gänzlicher Ignoranz nur erst zur Oberflächlichkeit er- |
| | hoben. Denn die Erzeugnisse unserer schönen Literatur bleiben für sie |
| | nur stumme Blumen, der ganze deutsche Gedanke bleibt für sie ein |
10 | | unwirthliches Räthsel, so lange sie die Bedeutung der Religion und der |
| | Philosophie in Deutschland nicht kennen. |
| | Indem ich nun über diese beiden einige erläuternde Auskunft zu |
| | ertheilen suche, glaube ich ein nützliches Werk zu unternehmen. Dieses |
| | ist für D1mich keine leichte Aufgabe. Es gilt zunächst die Ausdrücke einer |
15 | | Schulsprache zu vermeiden, die den Franzosen gänzlich unbekannt ist. |
| | Und doch habe ich weder die Subtilitäten der Theologie, noch die der |
| | Metaphysik so tief ergründet, daß ich im Stande wäre, dergleichen, |
| | nach den Bedürfnissen des französischen Publikums, ganz einfach und |
| | ganz kurz zu formuliren. Ich werde daher nur von den großen Fragen |
20 | | handeln, die in der deutschen Gottesgelahrtheit hund Weltweisheit zur |
| | Sprache gekommen, ich werde nur ihre sociale Wichtigkeit beleuchten, |
| | und immer werde ich die Beschränktheit meiner eigenen Verdeut- |
| | lichungsmittel und das Fassungsvermögen des französischen Lesers be- |
| | rücksichtigen. |
25 | | HGroße deutsche Philosophen, die etwa zufällig einen Blick in diese |
| | Blätter werfen, werden vornehm die Achsel zucken über den dürftigen |
| | Zuschnitt alles dessen, was ich hier vorbringe. Aber sie mögen gefäl- |
| | ligst bedenken, daß das wenige was ich sage, ganz klar und deutlich |
| | ausgedrückt ist, während D1ihre eignen Werke, zwar sehr gründlich, |
30 | | unermeßbar gründlich, sehr tiefsinnig, stupend tiefsinnig, aber eben so |
| | unverständlich sind. Was helfen dem Volke die verschlossenen Korn- |
| | kammern, wozu es keinen Schlüssel hat? Das Volk hungert nach Wis- |
| | sen, und dankt mir für das Stückchen Geistesbrod, das ich ehrlich mit |
| | ihm theile. |
35 | | Ich glaube es ist nicht Talentlosigkeit, was die meisten deutschen |
| | Gelehrten davon abhält, über Religion und Philosophie sich populär |
| | auszusprechen. Ich glaube es ist Scheu vor den Resultaten ihres eigenen |
| | Denkens, die sie nicht wagen dem Volke mitzutheilen. Ich, ich habe |
| | nicht diese Scheu, denn ich bin kein Gelehrter, ich selber bin Volk. Ich |
40 | | bin kein Gelehrter, ich gehöre nicht zu den 700 Weisen Deutschlands. |